DeutschlandRadio; „Neonlicht“; 13.10.2001
Das Deutsche in der Mode
 

Geräusch: Jodeln (22) und Dschingderassassa-Musik

Sprecher: Deutsch, das war in ästhetischen Kategorien das Unsagbare, das worüber nicht zu sprechen war. Das schlichtweg Peinliche.

Geräusch: Rülpser aus „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“

Sprecher: Und: „Deutsche Mode“ galt gar als Widerspruch in sich.

Zitat aus dem „weißen Rössel“. Sie: Hallo, Herr Gieseke. Sie sehen aber prächtig aus! Er: Prächtig? Hähä! Schön sehe ich aus. Giecken sich bloß die halben Hosen an, als ob der Stoff nicht gereicht hätte. Und die Pulswärmer an die Beene. Ist soetwas vielleicht fesch?

Sprecher: Ja, Herr Gieseke! Inzwischen gelten Anleihen aus der großen, gesamtdeutschen Symbolkiste in der Modewelt als fesch. Die Elle hat’s geschrieben. Ob Flagge, Adler oder Tracht – Deutsch ist hip. Doch wie konnte es zu diesem Wandel kommen?

Geräusch: Dschingderassassa-Musik (Eisenbahn)

Atmo: Hinterhof, Schritte;

Sprecher: Eine erste Spur führt uns in einen Weddinger Hinterhof.

Atmo: Türöffnen;

O-Ton Frisch (A0): Also ich bin Jürgen Frisch. Ich bin der eine Teil der Modefirma Frisch. Der andere Teil, die Ulrike Dorn, die ist jetzt nicht da.

Sprecher: Das Modelabel Frisch, das vor allem in Japan seine Kollektionen erfolgreich verkauft, spielt immer wieder mit deutschen Themen. So widmeten sie eine ihrer letzten Kollektionen dem deutschen Bürokraten. Oder die Kollektion „Lait  Cru“ spielte mit Elementen der Schwarzwälder Trachten.

O-Ton Frisch (C7):  Das ist ganz wichtig auch für uns, dass Deutschsein eben, weil diese Attitüde das Unmodischsein hat, was wir sehr modisch finden. Wir finden das viel interessanter, wenn jemand eher etwas unbeholfen aussieht in seiner Kleidung. Es ist vielleicht eine Subversion, aber jetzt nicht im herkömmlichen Sinne, sondern eher eine Subversion gegen die allgemeine Meinung.

Geräusch: Kuhstall, Muhen

O-Ton Frisch (C5):  Deutsches Design ist im Kommen. Jetzt waren die Belgier dran, jetzt waren die Holländer dran, das ist auch schon wieder vorbei. Die Mode wird jetzt wieder funktioneller und menschlicher, und das spricht ganz für die Deutschen. Deshalb wird Deutsch jetzt in Mode kommen.

Geräusch: Klatschen

Geräusch: Dschingderassassa-Musik; Schritte auf dem Asphalt; Öffnen einer Ladentüre;

O-Ton Schulte (A0): Ja, ich heiße Dirk Schulte, ich habe ein Geschäft, Essenbeck in Berlin, und verkaufe internationale Jungdesigner, unter anderem eben auch Jürgen Frisch.

Geräusch: Dschingderassassa-Musik

Sprecher: Doch Frisch ist keine Einzelerscheinung. Auch der Pariser Coupeur Bernhard Willhelm arbeitet in seiner Mode immer wieder mit deutschen Symboliken wie zum Beispiel der deutschen Flagge. Schwarz-Rot-Gold scheinen eh zur Zeit ein beliebtes Modemotiv zu sein.

O-Ton Schulte (A1): Es gibt zum Beispiel Uli Dziallas aus Berlin, die im Sommer eine Kollektion hatte mit einem Miss Germany Pullover und mit einem Miss Germany Bikini, wo sie versuchte, dieses Schwarz Rot Gold, in einen bewusst sinnfreien Kontext zu bringen.

Sprecher: Die Präsentation von Uli Dziallas Strick-Bikini in den Deutschlandfarben war bei seiner Präsentation in Berlin ein kleiner Skandal. Die einen regten sich auf, dass ein nationales Symbol verulkt worden wäre, die anderen darüber, dass da der deutsche Nationalismus Einzug in die Mode halte.

O-Ton Schulte (A3): Die Leute nehmen das wahnsinnig ernst, die verstehen einfach nicht, dass Mode eine sinnfreie Zone ist, wo man halt auch ein bisschen rumspielen kann. Es ist halt eben peinlich, es ist ne Reaktion, wie sie eigentlich auch nur in Deutschland passieren kann. Das ist woanders eigentlich undenkbar.

Atmo: Hinterhof, Schritte;

Darüber Sprecher: Ein Bild in einer alten Ausgabe des Jetzt-Magazins brachte uns auf eine andere Spur: Herbert Grönemeyer in einem olivgrünen T-Shirt mit der Aufschrift „German Eiche“ von dem Label „Mägde und Knechte – Elternhaus“. Das ist mehr als Mode – das ist ein Gesamtkunstwerk – das ist subversiv. Wir verabreden uns mit dem Fotografen des Bildes, Daniel Josefsohn, zu einem konspirativen Treffen in einem Berliner Hinterhof.

Atmo: Türöffnen;

Geräusch: Dschingderassassa-Musik

Darüber Sprecher: Josefsohn lümmelt etwas gelangweilt über seinem Schreibtisch; um ihn herum ein Meer aus Fotos. Wir fragen ihn höflich ob er uns etwas über das Konzept von Mägde und Knechte erzählen kann und die Verwendung der deutschen Symbole.

O-Ton Josefsohn (B7/B4): Natürlich kann ich, will ich aber nicht. Deshalb rufe ich jetzt Tetjus an. OK.

Atmo: Tut. Tut. Tut ....

Darüber Sprecher: Tetjus Tügel ist Mitbegründer von Mägde und Knechte - Eleternhaus.

O-Ton Josefsohn (B3): Hallo, Tetjus, ich hab hier zwei Typen vom Deutschlandradio, die gerne was über das Elternhaus wissen wollen und die deutschen Inhalte da drin, die Mode und so.

O-Ton Tügel (B3): Ja!. Durch ideologische Verkrampfung jeglicher Art, speziell bei dem Begriff Deutschland oder deutsch. Das ist so ein Tabubegriff geworden, so dass irgendwann bei uns der Reiz entstand, die Sache zu entkrampfen.

O-Ton Josefsohn (B3): Tetjus, die deutsche Symbolik dahinter, bitte!

O-Ton Tügel (B3): Deutsche Symbolik die hat natürlich ihren Reiz darin, diese Tabus und Berührungsängste aufzubrechen. Und nicht in Lager von links und rechts zu unterteilen, sondern vielleicht ein bißchen differenzierter.

Sprecher: So designen die Mägde und Knechte nicht nur schicke T-Shirts, wie das von Herbert Grönemeyer, sondern auch Unterhosen mit dem deutschen Adler und der Aufschrift „Internationale Betriebspause“ oder:

O-Ton Josefsohn (B6): Schwarz Rot Gold, Tetjus. Hallo?  - Schwarz Rot Gold

O-Ton Tügel (B6): Schwarz Rot Gold zum Beispiel, die Fahne zu hissen, eine schwarzrotgoldene Fahne auf der steht „Es lebe das Ausland“.

Geräusche (23): Klatschen und Bravorufe

O-Ton Tügel (B5): Ich guck durch einen Militärzaun. Dies ist ja ein verlassener Radarstützpunkt der Alliierten, auf dem ich jetzt wirke und auf Empfang schalte. Und jetzt stelle ich mich gerade auf den Stuhl, weil die Situation so noch grotesker wird.

Geräusch: Dschingderassassa-Musik

Sprecher: Bevor die Situation zu grotesk wird, verlassen wir den Hinterhof.

Geräusch: Dschingderassassa-Musik

Sprecher: Deutsch ist also hip in der Mode. Überall in Europa. Sogar in Japan, nur in Deutschland tut sich das Deutsche in der Mode ein wenig schwer. Es fehlt wohl am heiteren Ernst.

Musik aus dem „weißen Rössel“: Laßt uns Abschied nehmen