DeutschlandRadio, Neonlicht
Balkan erobert Hollywood
 
Musik: „Throbbing Gristle“ aus den Sounds mischen sich Kriegsgeräusche unter den Sprechertext

Sprechertext:


Die grausamen Bilder vom Balkankrieg haben sich in uns eingebrannt. Und sie bestimmen immer noch unser Bild der Menschen, die dort leben. Auch nach dem Kriegsende. Klischees, die Hollywood zu Film und Geld macht.

Kriegsgeräusche

Sprechertext:

Mit den Geschichten vom jugoslawischen Bürgerkrieg kommen auch Schauspieler vom Balkan nach Hollywood. Sie spielen hier ihre eigenen Kriegserlebnisse nach.

Musik aus der Serie „Emergency Room“

Wie Goran Visnjic. Er ist Doktor Kovac in der erfolgreichen Fernsehserie Emergency Room. Ein junger Arzt, der traumatisiert vom Bürgerkrieg versucht sich in Amerika eine neue Existenz aufzubauen.

Vinjic spricht über den Bügerkrieg in ER;


Goran Visnjic ist inzwischen nicht nur einer der beliebtesten Fernsehstars in den USA, sondern auch ein erfolgreicher Kinoschauspieler. Zuletzt war er in „The Deep End“ in Deutschland im Kino zu sehen.

Visnjic schreit Tilda Swinton an, dass sie eine Videokassette einlegen soll (Szene aus „The Deep End“)

Goran Visnjic hat es geschafft vom Balkankrieg auf die Hochglanz-Seiten amerikanischer Livestyle-Magazine. Er hat als Falschirmjäger für die kroatische Armee gekämpft. Danach Schauspielstudium in Zagreb. 1997 sein internationaler Durchbruch in Michael Winterbottoms Film „Welcome to Sarajevo“.

Visnjic sagt: „Welcome to Hell“

Doch warum interessiert sich Hollywood für die Schauspieler vom Balkan? David Siegel, einer der Regisseure von Deep End, beantwortet die Frage so:

Voice-Over David Siegel:
„Ich glaube, dass Leute aus Osteuropa für uns in gewisser Weise ein Rätsel sind. Man kann das nicht genau fassen. Sie repräsentieren Extreme. Sie repräsentieren eine Art seltsamer Anziehung. Sie repräsentieren Gefahr.“

Horrorfilm-Musik aus Apt Pupil

Sie spielen Mörder, Monster oder vom Bürgerkrieg traumatisierte Selbstmörder, wie Visnjic in „Welcome to Sarajevo. Klischees die Hollywood gefallen. In „Peacemaker“ hat er einen sehr kurzen Auftritt als russischer Grenzposten und wird bereits nach wenigen Minuten erschossen.

Schußgeräusche

Oder er spielt ein osteuropäisches Gespenst, das den Amerikanern das Fürchten lehrt, wie in „Practical Magic“

O-Ton aus dem Film: „Officer Hellen ......“

Andere Kollegen vom Balkan haben nicht soviel Glück. In der Serie „Babylon 5“ spielt Mira Furlan eine außerirdische Botschafterin. Mira Furlan: im ehemaligen Jugoslawien eine der großen Theater- und Film-Stars. 1991 muß sie aus ihrer Heimat fliehen. Die Kroatin kritisiert offen den Krieg und sie ist mit einem Serben verheiratet. Eine Todsünde in diesen Tagen.


Voice-Over Mira Furlan (im OFF):

„Es war nicht mein Traumjob, unter Tonnen von Make-Up begraben zu sein. [im ON:] Ein Produzent sagte mir neulich: Wenn du eine fette, lustige Russin wärst, dann hätte ich einen Job für dich. Männer aus dem ehemaligen Jugoslawien werden hier gebraucht, um diese rohen, bösen Primitivlinge vom Balkan zu spielen. Aber was bleibt da für mich übrig? – Ich weiß es nicht. - Außerirdische, vermute ich. Das aber ist es nicht, was ich mit meinem Leben anfangen möchte.“

Für Mira Furlan ist Hollywood eine Sackgasse. Denn nur männliche Bösewichter vom Balkan haben in Hollywood Konjunktur – Einer, der von diesem Trend profitiert und in großen Kinofilmen Erfolge feiert, ist Rade Serbedzija. Auch er im ehemaligen Jugoslawien ein sehr berühmter Schauspieler. Auch er flieht aus seinem Land. Jetzt spielt er Russenmafiosi, in Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ einen fiesen, osteuropäischen Geschäftsmann, der seine Tochter prostituiert. In „Mission Impossible II“ gibt er den Wissenschaftler, der seinen Kollegen tötet, um in den Besitz einer gefährlichen Waffe zu kommen.

Voice-Over Rade Serbedzija:

„Diese Periode meines Lebens ist vielleicht die interessanteste überhaupt, in der ich in einem Film oder auf einer Theaterbühne spielen kann. Aber ich kann es nicht in meiner Sprache tun. Ich würde gerne Chechov machen. Ich würde gerne einige wirklich starke, interessante Rollen spielen. Auf eine gewisse Art ist es ein Kompromiß, den ich hier eingehe. Aber, wenn man in diesem Fluß ist, muß man schwimmen, versuchen klug zu sein, zu überleben. Wenn man es nicht ist, kann der Fluß sehr, sehr gefährlich werden.“

In diesem Fluß schwimmt Goran Visnjic meisterhaft. Er schafft es sein Balkan-Image abzuwaschen, auch weil er über seine Vergangenheit inzwischen schweigt. In „The Deep End“ gehört er sogar am Schluß zu den „Guten“. In seinem nächsten Film ist er von Anfang an ein „Guter“ und Amerikaner noch dazu. Sein Sieg über das Klischee. Der Preis: der Verlust der eigenen Geschichte.