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  arte, Ausstrahlung: 20.08.2006, Länge: 5 Minuten
PARTY ZUM LESEN
Junge Verlage im Aufwind
 

Autor: Matthias Zuber
Kamera: Matthias Zuber
Schnitt: Matthias Zuber und Reza Memari
Produktion: polyeides medienkontor
Sendung: METROPOLIS / arte
Redakteur: Dr. Eggers Macroscope
Länge: ca. 08’

Beginn bei TC 10:00:00:00 Ende bei: TC: 10:08:04:18

TC: 10:00:02:00
SprecherIn: Eine Milliarde Bücher erscheinen in Deutschland pro Jahr. Da ist es für kleine Verlage im bevorstehenden Bücherherbst schwierig überhaupt gesehen zu werden - Aber - .....

TC: 10:00:09:18
SprecherIn: „Die meisten Impulse gehen nicht mehr von Suhrkamp, Hanser, Rowohlt aus, sondern von Neulingen wie Blumenbar“, schreibt das Feuilleton.

TC: 10:00:18:00
SprecherIn: Eine lose Gruppe junger, kleiner Verlage hat es geschafft, mit frischen Texten und spannenden Layouts auf der Bücherflut zu surfen - und nicht in ihr unterzugehen.




TC: 10:00:31:03
O-Ton Daniela Seel (KOOKbooks): „Wir sind relativ jung erst gegründet. Wir sind neu am Markt und wir sind INDEPENDENTS.“

TC: 10:00:40:19
O-Ton Frank Niederländer (Tisch 7): „Die Funktion der Independent Verlage, worin sie sich von den größeren Verlagen unterscheiden, ist sicherlich erst einmal das Programm. Unsere Aufgabe sehe ich erst einmal darin, danach zu schauen, was die großen Verlage übersehen haben.“

TC: 10:00:55:11
O-Ton Wolfgang Farkas (blumenbar): „Ein wichtiger Punkt, der uns von anderen Verlagen unterscheidet, ist, dass wir unter dem einen Namen blumenbar nicht nur Bücher herausgeben, sondern das ist von Anfang an Teil einer Kulturszene.“

TC: 10:01:10:00
SprecherIn: Angefangen haben die beiden Verleger mit Lesungen in ihrer Wohnung. 2002 ihr erstes Buch. Zur Kulturszene gehören sie immer noch. Inzwischen im Münchner Kunstverein. Denn die Mischung von Literatur, Kunst, Musik und Party ist Programm. Vor Kurzem produzierte blumenbar eine Musik-CD mit Gedichten von Wolf Wondratscheck, der selbst liest.

TC: 10:01:27:14
Wolf Wondratschek von der CD „LEAVING CHUCKS‘ ZIMMER“: „Das ist die Stunde kurz nach Mitternacht, die Katze, die dich anschaut und nicht lacht. Es ist nichts mehr zu tun. Du öffnest die Finger, siehst die Morgenröte und den Engel, der geht, um sich auszuruhn.“




TC: 10:02:04:08
SprecherIn: Die Romane des Norwegischen Künstlers Matias Faldbakken verbinden ebenfalls Party, Musik, Kunst und Literatur. In Cocka Hola Company finanziert eine Gruppe abstruse Kunstprojekte über ihre Porno Produktion.

TC: 10:02:12:17
SprecherIn: Und in Macht und Rebel geht es um Sex mit Minderjährigen, Adolf Hitler und die Beziehung der Subkultur zur Weltwirtschaft.

TC: 10:02:19:16
SprecherIn: Rund 20 Bücher und CDs hat blumenbar herausgebracht.

TC: 10:02:30:09
O-Ton Wolfgang Farkas (blumenbar): „Die Literarischen Titel bilden die Zeit aus der Perspektive unserer Generation eigentlich ab. Wir machen bestimmt Bücher, die sicher sehr großen Wert legen auf formale, sprachliche Qualität und inhaltlich, thematisch ist es eine Ausrichtung, die viel zu tun hat mit einer Suche, einem Nichtgenauwissen wie die Welt funktioniert, wie Liebe funktioniert. Diese Suche, dieses Wisssenwollen und Dahinterkommenwollen, was eine menschliche Existenz ausmacht, das ist bestimmt ein Antrieb.“

TC: 10:02:59:00
O-Ton LarsBirken-Bertsch (blumenbar): „Wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist auf alle Fälle das Erscheinungsbild. Die Cover – also auch die ganze Herstellung. Und dann haben wir eine Zusammenarbeit mit Chrish Klose, die das Design macht. Da versuchen wir auch neue Wege zu gehen in der Buchgestaltung. – Weg von Fotos, mehr die Stärke von Typografie versuchen wir heraus zu arbeiten. Und ich denke, das gelingt uns auch da ein Profil mit zu zeigen. Und das kommt sehr gut im Buchhandel an und ich denke zumindest bei der Leser Zielgruppe auch.


TC: 10:03:44:19
O-Ton LarsBirken-Bertsch (blumenbar): „Das Wichtigste ist, dass man mit dem Cover ein Signal setzt. Das war ja immer unser Ansatz. Es muss auch gar nicht wie in den meisten Verlagen, wo die Lektoren sagen, es muss dem Inhalt entsprechen. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz.

TC: 10:03:58:14
O-Ton Chrish Klose (Grafikerin u.a. blumenbar): „Natürlich ist Cocka Hola Company von der Illustration her das, was am meisten weiterverkauft und angefragt worden ist.“

TC: 10:04:06:05
O-Ton LarsBirken-Bertsch (blumenbar): „Es ist ein Phänomen dieses Buch. Es ist bei amazon auch ganz weit oben immer. Es verkauft sich. Es liegt überall auf den Stapeln. Und es ist mit das Cover.“

TC: 10:04:21:11
SprecherIn: Die Berliner Grafikerin Chrish Klose ist für die Cover der blumenbar ausschließlich verantwortlich. Sie schuf auch das inzwischen legendäre Cocka Hola Company Bild.

TC: 10:04:31:19
O-Ton Chrish Klose (Grafikerin u.a. blumenbar): „Wenn ich Gestaltung ernst nehme, dann begebe ich mich in einen Prozess mit dem Autoren, mit der Geschichte, und versuche eigentlich das, was in der Geschichte versteckt – sozusagen für den Käufer, den Interessenten nicht sichtbar ist, in der gleichen Kraft der Geschichte an die Oberfläche zu holen.“

TC: 10:05:02:00
SprecherIn: Auch bei den Independent Verlagskollegen von Tisch 7 spielen die Cover eine wichtige Rolle – ganz anders als bei einigen Großverlagen, wo die Cover in Masse produziert werden.


TC: 10:05:14:00
O-Ton Frank Niederländer (Tisch 7): „Da wird sehr viel Stockmaterial eingesetzt. Die Kaufen Material aus Datenbanken ein, setzen das für ihre Cover ein. Und da ist bei uns das einzelne Buch doch eher mal tailor made. Das heißt, wir versuchen, dann wirklich eine Lösung zu finden, die zu dem Text paßt.“

TC: 10:05:30:13
SprecherIn: Auch wenn das Cover dann eben kontroverser ausfällt - wie bei Jürg Amanns Pornographischer Novelle.

TC: 10:05:43:02
EXTRA Sprecher: „Ihre Blase war voll, sie ging ins Bad, er folgte ihr. Sie saß auf der Schüssel, schrieb er, mit geschlossenen Beinen. Ich stellte mich vor sie hin. Sie nahm mich in den Mund. Mit den Händen umklammerte sie meinen Arsch. [...] Mit der Rechten drängte ich ihre Schenkel auseinander. Ich hatte die Hand an ihrem Geschlecht, an ihren geöffneten zuckenden Lippen, an ihren Löchern. Ein harter Strahl schoß aus ihr heraus, in meine Handfläche. Das warme Wasser rann durch meine Finger, [...].“
[aus: Pornogragraphische Novelle S. 43]

TC: 10:06:11:04
SprecherIn: Amanns Pornographische Novelle ist eine Gradwanderung. Absichtsvoll läßt der Autor seinen Protagonisten aus der Sprache der Literatur ins Pornographische gleiten. Aus der Ich- in die Er-Perspektive. Aus der romantischen Sehnsucht nach Nähe ins rein Körpermechanische. Den Stoff, der inzwischen einen Literaturpreis erhalten hat, lehnten einige großen Verlage ab: zu pornographisch, zu experimentell, zu risikoreich. – Tisch 7 hat ihn gedruckt.




TC: 10:06:36:00
SprecherIn: Bei Messen laufen die INDEPEDENTS inzwischen den Großen sogar den Rang ab – wie hier KOOKBOOKS. Der Ein-Frau-Verlag aus dem hessischen Idstein heimst für seine Bücher regelmäßig Preise ein. KOOKBOOKS Interesse gilt der Lyrik. Doch auch Romane wie Steffen Popps Ohrenberg oder der Weg dorthin gehören zum Programm.

TC: 10:06:58:17
O-Ton Daniela Seel (KOOKBOOKS): „Wir versuchen als KOOKBOOKS ein ganz klares Profil zu gestalten auch mit eher anspruchsvolleren literarischen Titeln. Wir haben einen starken Schwerpunkt im Bereich der Poesie. Aber auch im Bereich der Prosa; Versuche, neue Antworten auf alte Fragen zu finden, was ist ein Roman, was kann ein Roman überhaupt sein. Einfach zu schauen, wie kann man heutige Erfahrung übersetzen in Sprachmaterial und was gibt es da eben für Formen, die vielleicht das besser rüber bringen können, als es bisher schon Lösungen gibt.“

TC: 10:07:37:09
SprecherIn: Die Gruppe der Independents, zu denen neben anderen KOOKBOOKS, Tisch 7 und blumenbar gehören, sind anders. Sie sind risiko- und experimentierfreudiger als die großen Verlage. Ihre Erfolgsstory verdanken die Independents auch der Tatsache, dass sie authentisch sind in einer globalisierten, entfremdeten Welt. Einige ihrer Bücher haben das Zeug dazu, den Blick auf diese globalisierte, entfremdete Welt zu sprengen.


TC: 10:08:04:18 ENDE